Am Montag, den 9.9.2019, lädt die Association Contre la Barbarie um 20:00 Uhr zu einem Vortrag mit Murat Yörük in die Räumlichkeiten von radio aktiv (Deisterallee 3, 31785 Hameln) ein. Der Referent wird in seinem Vortrag: „Die türkische Krise – Zur russisch-türkischen Kumpanei gegen den Westen“ einen ideologiekritischen Blick auf die aktuelle Situation in der Türkei werfen. Die Veranstaltung ist kostenlos, Spenden für den Referenten sind jedoch ebenfalls willkommen. Wir freuen uns auf einen spannenden Abend und eine angeregte Diskussion mit Ihnen. Wir freuen uns, wenn die Veranstaltungsankündigung weiterverbreitet wird und danken für jede Unterstützung.
Mo. // 9.9.2019 // 20 Uhr // radio aktiv // Vortrag
Eine inhaltliche Veranstaltungsankündigung findet sich im Folgenden:
Die türkische Krise
Zur russisch-türkischen Kumpanei gegen den Westen
Vortrag und Diskussion mit Murat Yörük
Montag, 9. September 2019, 20.00 Uhr, Hameln
radio aktiv, Deisterallee 3
Putin statt NATO lautet heute die türkische Devise und spätestens nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016, für den wie selbstverständlich der Westen und die USA verantwortlich gemacht werden, ist die türkische Kumpanei mit Putins Russland gegen den Westen allgegenwärtig. Dabei ist der insbesondere in den türkischen Streitkräften eingeschlagene sogenannte eurasische Weg historisch nicht sonderlich neu. Er erlebt vielmehr eine neue Hochphase, an dessen vorderster Front der türkische Führer Recep Tayyip Erdoğan steht. Unlängst hat er als wichtigster Pate des türkischen Islam nämlich erkannt, wie befreiend das Gelächter über jene sein kann, die ihm noch gestern als duldsame Westler huldigten, sich daran erfreuten, dass Islam und Demokratie durchaus kompatibel seien und heute über das türkische Säbelrasseln vor der zypriotischen Mittelmeerküste erschrocken sind. Aus diesem infernalen Gelächter schöpft Recep Tayyip Erdoğan inzwischen seine ganze Kraft, wenn anti-westliche Frechheiten als eine Art türkisch-islamisches Vorrecht zur Geltung kommen, und dennoch ist der bereits im vergangenen Wahlkampf um Istanbul behauptete Existenzkampf der Nation um Leben und Tod in Wahrheit Erdogans ganz persönlicher Kampf um sein politisches Überleben. Denn die missliche Lage, in die er sich selbst und vielmehr das ganze Land gebracht hat, wird ihn zu einer ganz persönlichen Entscheidung zwingen: Selbstaufgabe und damit die Kapitulation des türkischen Islam oder der politische Selbstmord als Führer des Volkes. Doch mit Erdogan allein ist das Übel nicht benannt, sondern vielmehr verkannt. Panik, Hass und Destruktivität spielen in der türkischen Apokalypse eine entscheidende Rolle im kollektiven Stelldichein und einen Fraktionen, die sich sonst auf der Straße nicht einmal mehr begrüßen würden: Hier die islamisierten Fanatiker, die nach der Souveränität Allahs rufen; dort die Freunde der Volkssouveränität, die die Einheit der Nation abhandenkommen sehen; hier die Turanisten, die die Existenz der türkischen Rasse gefährdet sehen; dort die Nationalchauvinisten, die auf die Zahlungsbilanz schielend dem starken Staat huldigen. Diese dermaßen differenten Fraktionen werden zusammengehalten durch den Führer des Volkes, der sich dessen bewusst ist, und zur Krisenbewältigung einstimmt: „Wir sitzen alle im gleichen Boot. Wenn sich dieses Boot weiterbewegt, werden wir gemeinsam gewinnen und wenn es ein Loch bekommt und Wasser aufnimmt, werden wir alle das gleiche Schicksal erleiden“ (15.08.2018).
Gegenstand des Vortrags wird sein, wie es zum türkischen Abschied vom Westen kommen konnte, und was Putin und Erdogan als Kumpanen trennt und eint. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, wie die nach 1980 fortschreitende Reislamisierung des türkischen Alltags mit der Durchsetzung des Weltmarkts einhergeht, und wie die gegenwärtige türkische Krise bereits jetzt offenbart, dass die Islamisierungsgewinnler als Privatverschuldete im Zweifel nicht ihren Allah, sondern den Dollar anbeten, den sie unter dem Bettkissen verstecken, statt ihn wie der Führer will zur Stützung der Nationalwährung Lira verkaufen.
Murat Yörük ist Autor und schreibt unter anderem für die linke Wochenzeitung Jungle World.